Witzwort vertellt

25. Bernhard Grage und die Süderluftbrücke

Dies (rechts im Bild) ist der letzte Pfeiler der Süderluftbrücke. Er steht in Witzwort-Süden an der Straße auf der Bloek des Grage-Hofes (Süden 16). Diese Luftbrücke war eine Seilbahn von der Straße, vorbei am Haubarg, zum jenseits der Warft gelegenen Melkschuppen.

Damit wurden die Milchkannen an die Straße geschoben. Sie hingen am Seil an einer Laufkatze und wurden per Hand bewegt. Das war ca. 1948. Der Name leitet sich ab von der damals aktuellen Luftbrücke in Berlin. Zusammen mit dem Melkschuppen und der ersten Melkmaschine in Eiderstedt war auch die Süderluftbrücke eine große technische Errungenschaft, die in der Landwirtschaft sehr beachtet wurde. Bernhard Grage, damaliger Besitzer des Grage-Hofes, hatte viele solcher Ideen für technische Verbesserungen und neue Geräte, die er vom Schmied nach seinen Angaben bauen ließ. 

Aus heutiger Sicht war Grage ein Vorreiter für viele landtechnische Überlegungen und Arbeitsweisen. Er wurde am 9.3.1887 in Witzwort geboren. Nach der Rückkehr aus dem ersten Weltkrieg übernahm Bernhard Grage den elterlichen Hof. Aktiv war er auch in der Witzworter Liedertafel, als Jäger und im Kirchenvorstand. Im zweiten Weltkrieg verlor er seinen einzigen Sohn. Nach dem Krieg war er Bürgermeister von Witzwort und Eiderstedter Landrat von 1946-1950. Er starb am 19.11.1970. 

Schon in den 1920er Jahren war in seinem Haubarg ein einfaches Segeltuchförderband eingebaut, das das Heu und die Garben schräge unter dem Dach hinauf bis in den First brachte. Mitte der 1930er Jahre wurde das Förderband ersetzt durch das flexiblere Heugebläse mit 50er Rohr. Im Stall wurde eine Mistlore eingesetzt. Diese brachte den Mist, an einer Deckenschiene hängend, aus dem Stall auf den Misthaufen. Zur Bodenverbesserung setzte Grage ca. 1920 als einziger in Witzwort eine sogenannte Blausandmaschine ein. Das muss ein Ungetüm von Maschine auf Raupen gewesen sein. Sie holte mit einer Schnecke aus 1,50 bis 2 Meter Tiefe den kalkhaltigen Boden und verteilte ihn mit einer Streuscheibe auf der Fläche.  

Besonders stolz war Bernhard Grage auf eine Eigenkonstruktion, seinen „Hümpelschieter“ (Hümpel = Diemen): Ein Drahtkorb von der Größe eines Diemens war auf Kufen montiert. Der wurde entlang der Heuschwaden von Pferden gezogen und von oben mit der Forke von Hand befüllt. War er voll, so wurde der Korb hinten geöffnet, die Pferde zogen die Form etwas an, der Hümpel rutschte hinten raus, fertig. Sparte eine Menge Lauferei entlang der Schwaden. 1949 setzte Grage den ersten Drehpflug (mit spiegelbildlich angeordneten Pflugscharen für einen einfachen Richtungswechsel beim Pflügen) für einen Gespannzug ein. Sowas hatte hier noch niemand gesehen. Diese Technik des Drehpflugs kam erst 25 Jahre später zum Durchbruch, als die Schlepper die 100-PS-Marke erreichten.

Das linke Foto zeigt Bernhard Grage bei einer Schleusenbegehung im September 1963.  |  Heinrich Alberts

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