Witzwort vertellt

32. Die Hand-Ziegeleien in Witzwort  

Beiderseits der Bundesstraße 5 – zwischen dem ehemaligen Kringelkrug und der Abzweigung nach Friedrichstadt – existierten im 19. Jahrhundert vier Ziegeleien, weil die dortigen Fennen reich an Ton, plattdeutsch „Stört“, waren.

Bernhard Grage berichtet im heimatkundlichen Jahrbuch „Zwischen Eider und Wiedau“ (1961) über die Ziegelei, die um 1900 von seinem Onkel Boy Lorenzen in Reimersbude betrieben wurde:

„Sie bestand aus mehreren Gebäuden, einem Wohnhaus für die Ziegeleiarbeiter, plattdeutsch „Tegler“ genannt, einem Brennofen, einer runden Scheune mit einem kreisrunden „Pottloch“, dessen Durchmesser etwa 8 m und deren Tiefe etwa 80 cm betrug, und 4 bis 5 niedrigen mit Reet gedeckten Trockenscheunen, mit offenen nur 1 m hohen Seiten, die bei eintretenden Nachtfrösten mit Holzluken abgedeckt werden konnten. Die „Tegler“ kamen Ende März, Anfang April aus Lippe-Detmold nach Eiderstedt. Die Arbeitergruppe bestand aus einem Brennmeister, der dem Besitzer für die Güte der herzustellenden Steine verantwortlich war, 4 bis 6 Arbeitern, sowie einem konfirmierten Jungen, der das Einholen und Essenkochen besorgte.

Die Produktion begann nun damit, dass in der Nähe der Ziegelei der „Stört“ gegraben und mit Kipploren zum „Pottloch“ transportiert wurde. Der Stört wurde hier nun „zugemacht“ d. h. so aufbereitet, dass daraus Ziegel „gestrichen“ werden konnten. Dies geschah mit Hilfe einer göpelähnlichen Maschine, die durch Pferdekraft angetrieben wurde. In der Mitte des Pottloches war ein starker Baum senkrecht montiert. Daran war ein Querbaum drehbar befestigt, dessen Ende über das Loch hinausragte und einen Zughaken für die Pferdeanspannung trug. Oben auf diesem Querbaum saß eine mit Löchern versehene Eisenschiene. Ein schweres Eisenrad war mit einem Splint daran angebracht. Durch die Drehung des Rades wurde der Stört tüchtig durchgeknetet. Man begann in der Mitte des Pottloches, und dann wurde das Eisenrad von Loch zu Loch in der Schiene weiter nach außen geschoben, bis der Inhalt genügend durchgearbeitet war. (…)
Wenn der Stört durch das Kneten unter Zusatz von Wasser gut aufbereitet war, begann das Streichen. Mit einem Holzspaten wurde er in den aus dünnen Brettern angefertigten Streichrahmen gefüllt. Der Rahmen fasste jeweils 3 Steine. Die nassen Lehmziegel wurden dann auf den Boden der Trockenscheune gekippt. Wenn die Bodenflächen der Scheunen mit einer Schicht belegt waren, konnten die ersten Steine auf Haufen geschichtet werden, um wieder Platz zu schaffen für nasse Ziegel. Der Trockenprozess war natürlich stark von der Witterung abhängig und dauerte deshalb verschieden lange. Es musste so viel Wasser verdunstet sein, dass die Ziegel genügend Festigkeit hatten, um mit der Schiebkarre zum Brennofen transportiert werden zu können. Hier wurden sie kunstgerecht aufgeschichtet, und die Ofentür wurde dann mit Lehm zugeschmiert.

Nun begann das eigentliche Brennen. (…) Zwei Pottlöcher „Stört“ waren für eine Ofenfüllung erforderlich, das waren etwa 80 000 Steine. Im Laufe des Sommers wurde 10 bis 12 Mal gebrannt, die Jahresproduktion einer solchen Ziegelei betrug also rund 1 Million Steine. Davon waren ein Teil hartgebrannte Steine, sogenannte Klinker. Das waren die, welche in der Nähe der Feuerstellen aufgeschichtet gewesen waren. (…)Die „Tegler“ standen in Akkordlohn und verdienten sehr gut. Ihre Arbeit war aber auch schwer und dauerte in der Regel von morgens 5 bis abends 8 Uhr mit einer längeren Mittagspause. Sie waren achtbare Leute, denen es darauf ankam, ein gutes Stück Geld mit in ihre Heimat zu nehmen. Natürlich hatten Kaufleute, Bäcker und auch die Gastwirte durch sie einen guten Verdienst. (…)

Anfang dieses Jahrhunderts konnten die kleinen Handziegeleien mit den aufkommenden Dampfziegeleien nicht mehr konkurrieren. Die „Maschinensteine“ wurden ebenmäßiger hergestellt und waren leichter zu verarbeiten. So wurde in den Witzworter Ziegeleien die Produktion nach und nach eingestellt, die Gebäude wurden abgebrochen. (…)

Das Foto zeigt das Wohnhaus (Reimersbude 14) und die Ziegelei, die heute nicht mehr steht. In der Karte von 1880 ist der Standort rot und die anderen 3 Ziegeleien sind orange umrandet.

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