Witzwort vertellt

84: Der Witzwort-Kanal

1965 war die Diskussion um die Eiderabdämmung in vollem Gange. Die Lösung 5 sah vor, der Eider ein neues Bett direkt an Witzwort vorbei zu graben.

Gebaut wurde dann 1967–1973 das heute noch betriebene Eidersperrwerk. Anlass war das „Eiderproblem“. Es bestand darin, dass der Strom zunehmend versandete, was die Entwässerung der Region schwieriger machte und die Schiffbarkeit einschränkte. Eine damals angedachte Alternative (Lösung 5) hätte man durchaus als „Witzwort-Kanal“ bezeichnen können. Diese Lösung sah vor, die Eider ab Reimersbude nach Nordwesten in die Hever umzuleiten und in der „alten“ Eidermündung eine feste Abdämmung zu bauen. Der Kanal sollte westlich der Siethwende verlaufen. Der Plan stammte von dem Wasserbauingenieur Werner Kambeck, der seit 1948 in Husum tätig und seit 1962 FDP-Kreisvorsitzender war.

Kambeck meinte, mit dieser Lösung das Eiderproblem grundsätzlich beheben zu können, weil erstens die Hever nicht (wie die Eider) zum Versanden neige und zweitens der Weg der Eider in die Nordsee erheblich kürzer würde. Auch sprächen die deutlich niedrigeren Kosten dafür. Nur zwei Straßen müssten den Kanal überqueren, argumentierte Kambeck, und eine Eisenbahnstrecke, die man nach Vorstellung der Bundesbahn ganz einsparen könne. Lösung 5 wäre ein gewaltiger Eingriff in die Landschaft Eiderstedt gewesen: Die Halbinsel wäre an ihrer schmalsten Stelle durchtrennt und Witzwort von seiner „alten Landschaft“ abgeschnitten worden. Auch einige Häuser in Reimersbude und im Süden hätten dem Projekt weichen müssen.

In die Diskussion mischte sich unser Witzworter Dorfchronist Ludwig Oesau ein. Er schrieb Kambeck einen Brief, nachdem er einen Zeitungsbericht über die geplante Eiderabdämmung und die Lösung 5 gelesen hatte. Oesau erwähnte zunächst sein langjähriges Interesse an der Eider: Schon 1936 habe er den Bau der Nordfeld-Schleuse mit dem Schulrat und Kollegen besichtigt und später per Rad den Eiderlauf bis Hohn erkundet. Und stellte dann seine wasserbauliche Diagnose: Die Schleuse bei Nordfeld habe die Bewohner der Region in der Sturmflut 1962 vor Überflutung geschützt. Das „Eiderproblem“ sei schon ein sehr altes, und man könne ja nicht den Nord-Ostsee-Kanal deswegen zuschütten. Prinzipiell stand Oesau der Lösung 5 aufgeschlossen gegenüber, gab aber zu bedenken: „Ich glaube nicht, dass man weiß, was man fordert, wenn man vorschlägt von der Eider nach der Hever hinzugraben und so der Eider einen Abfluss zu schaffen. Die Köge wurden mit unendlicher Mühe gewonnen.“

Wie bekannt, wurde aus der Lösung 5 nichts. Die Wasserstraßenverwaltung ließ das Eidersperrwerk bauen. 80 Jahre sollte es halten. Die Lokalzeitung berichtete allerdings im Januar dieses Jahres, dass in der Verwaltung bereits seit 2019 eine Arbeitsgruppe wieder mit dem „Eiderproblem“ befasst ist und an Lösungen arbeitet, die auch Folgen des Klimawandels (Sturmfluthöhe, Starkregen) miteinbeziehen. Und was die Stilllegung der Strecke St. Peter-Ording–Husum angeht: Mit dieser Idee liebäugelt die Bahn seit den 1950er Jahren. Zuletzt scheiterte sie damit 1983 an dem großen Widerstand in der Region.

Quellen: Kreisarchiv, Nachlass Kambeck; Nordfriesland Heft 1, Dez. 1965

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