Witzwort vertellt

39. Die Streithammelpolka

1946 schickte der in Witzwort lebende Albert (genannt Bert) John dem damaligen Landrat des Kreises Nordfriesland, Dr. Wulff, das selbst komponierte Musikstück „Streithammel“ und schrieb dazu:

„Sehr geehrter Herr Doktor! Aus meinen größeren Kompositionen riss mich der Streit mit der hiesigen Gemeinde. Den Niederschlag Ihnen zu überreichen, ist für mich Herzenssache. Ich bitte Sie, diese kleine Aufmerksamkeit anzunehmen u. über den äußeren Rahmen hinwegzusehen. Leider fehlt es mir an Papier, Federn u. der richtigen Tinte, sonst hätte ich schon lange die Reinschrift einer größeren Arbeit für Ihre Sorge u. Mühe um die edle Kunst überreicht. Gern hätte ich auch Orchesterstimmen dazu geschrieben, aber, es fehlt an allem. In der Hoffnung, dass Ihnen die kleine Polka Freude bereitet, verbleibe ich als Ihr ergebener Bert John“.  

Dass der studierte Musiker Bert John eigens für den Landrat die Streithammel-Polka komponiert hatte, führte allerdings nicht zu einem Erfolg in der Sache. Denn seine Beschwerde  gegen Artur Dohm, Angestellter der Gemeindeverwaltung, wurde abgewiesen. John wohnte bei Lesch in der Dorfstraße 4 und spielte als Pianist bei Tanzveranstaltungen. Die Säle in Witzwort standen aber nicht für solche „Vergnügungen“ zur Verfügung, weil sie mit Flüchtlingen belegt waren. Nun war John der Meinung, dass der Angestellte der Gemeinde, Artur Dohm, bestimmte Bauern von Einquartierungen frei hielt und dafür in Naturalien „bezahlt“ wurde.

Zu dem Vorwurf äußerten sich bei Bürgermeister Bernhard Grage verschiedene Zeugen, jeweils mit ihrer eigenen Version: So erzählte Peter Johannsen, ehemaliger Wachtmeister, von einem Gespräch zwischen Kaufmann Becker (Dorfstraße 23) und Landwirt Bundies (Ingwershörner Deich 1), in dem Bundies gesagt habe: „Solange ich Dohm Eier gegeben habe, habe ich keine Flüchtlinge bekommen. Wie das aufhielt, bekam ich bald Flüchtlinge.“ Peter Bundies widersprach: „Ich habe niemals Herrn Dohm Eier gegeben und auch diese Äußerung nie gemacht“. Die Fischersfrau Hedwig Franzen (Siethwende 5) gab in diesem Zusammenhang an, dass Dohm sie nach Fischen gefragt habe. Sie habe geantwortet: „Wenn, dann für alle.“ Daraufhin habe Dohm ihr Bezugsscheine angeboten, wenn sie ihn bevorzugt mit Fischen versorgen würde. Das lehnten sie und ihr Mann aber ab. Auf die Seite Artur Dohms stellte sich Gemeindedirektor Hans Christiansen (Ecke Siethwende/B5). Er bewertete dessen Leistungen für die Gemeinde und im Flüchtlingsausschuss positiv. John denke dagegen an nichts anderes als an seinen Verdienst und wolle deshalb die Flüchtlinge aus den Sälen raushaben – dabei hätten die gar keine Schuhe zum Tanzen.
Bert Johns Tochter Karen Vondran war sehr erstaunt, von dem Musikstück und seiner Geschichte zu hören. Sie schrieb uns: „Als ich die Abschrift des Briefes meines Vaters zur Streithammelpolka und die Erklärung des Sachstandes las, musste ich schon ein wenig schmunzeln. Für mich hat die ganze Angelegenheit eine humorige Seite, die auch zu seiner Art von Humor passte.“  Am diesjährigen Dorfabend der Archivgruppe trug Peter Lesch die Geschichte der Streithammelpolka vor und Marta Radcke präsentierte das kunstvoll komponierte Stück brillant auf dem Akkordeon.

Das Foto zeigt Bert John beim Kinderfest in Oldenswort, ca. 1949 mit seiner Tochter Karen und einen Ausschnitt des Notenblatts der Streithammelpolka.

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