Witzwort vertellt

58: Der Streit nach dem Preisboßeln beim Heimatfest 1954

Der Witzworter Boßelverein wurde am 14. Februar 1902 gegründet und ist der älteste heute noch bestehende Verein im Dorf.

In diesem Jahr richtet der Verein beide Boßelfeste des Unterverbandes Eiderstedt aus: Das der Erwachsenen am 12. Juni und das der 10-15-Jährigen am 26. Juni.

Eine Boßelgeschichte hat unser fleißiger Chronist Ludwig Oesau aufgeschrieben: Zum Eiderstedter Heimatfest, das 1954 in Witzwort stattfand, organisierte der Boßelverein ein Preisboßeln. Daran nahm auch der Uelvesbüller Karl-Heinz Nebbe teil. In der Gruppe der 15-20-Jährigen warf Nebbe die zweitbeste Weite (210 Meter). Vom Preisverteilungskomitee wurde er aber ausgeschieden, weil er in Heide in die Lehre ging und deshalb nicht Mitglied des Eiderstedter Unterverbandes war.

Nebbes Mutter bat Oesau, als Mitorganisator des Heimatfestes, dazu Stellung zu nehmen. Das tat er mit deutlichen Worten in einem Brief an den Unterverband: „Wäre das Fest als Boßelfest vom Unterverband Eiderstedt veranstaltet worden, so wäre der Entscheid des Preisgerichts unanfechtbar. (…) Aber das Fest ist vom Eiderstedter Heimatbund veranstaltet, und der Heimatbund hat den Boßlern 60,- DM für die Preise zur Verfügung gestellt. Der Vorsitzende des Witzworter Boßelvereins hat also absolut richtig und im Sinne des Heimatbundes Eiderstedt gehandelt, als er den jungen Nebbe zum Preisboßeln zuließ. (…)

Der Boßelverband steht mit Recht auf dem Standpunkt, (…) wenn ein junger Mann von hier fortzieht, (…) scheidet er aus seinem früheren Unterverband aus und darf an dessen Veranstaltungen nicht aktiv teilnehmen. (…) Der Heimatbund Eiderstedt heißt dagegen die Buteneiderstedter bei seinem Jahresfest besonders willkommen und begrüßt es sehr, wenn sie auch am Boßeln, dem heimatlichen Spiel, teilnehmen. Diese Heimatberechtigung hat natürlich auch ihre Grenzen. Wenn ein junger Mann hier in Eiderstedt ein Jahr, vielleicht auch etwas länger, vielleicht auch nur einige Wochen oder Monate gewesen ist, ist er natürlich nicht berechtigt, am Preisboßeln teilzunehmen, denn er ist damit kein Eiderstedter geworden. Wenn er aber, wie der junge Nebbe, hier geboren und groß geworden ist, auch hier neun Jahre lang die Schule besucht hat, so ist er voll berechtigt, als Eiderstedter am Heimatfest und auch an dem dabei veranstalteten Preisboßeln teilzunehmen.“

Und nun wird Oesau richtig böse: „Gerichtlich und rechtlich gesehen ist das Verhalten der Preisrichter ein glatter Betrug. Damit, dass der junge Nebbe den Eintritt für den Heimattag und den Einsatz für das Wettboßeln bezahlte und die Erlaubnis zum Mitboßeln erhielt, hat er mit dem Boßelverein einen zweiseitigen, vollgültigen Vertrag geschlossen, der von seiner Seite voll erfüllt ist. Bis zu der Preisverteilung hat ihn auch der Boßelverein erfüllt. Aber als sich dann herausstellte, dass der junge Nebbe den zweiten Preis gewonnen hatte, bekamen zur Schande des Witzworter Boßelvereins Neid und Missgunst die Oberhand. Der Vorsitzende wurde überstimmt und dem jungen Nebbe in betrügerischer Weise der Siegespreis verweigert.“

Mit seinem Eintreten für Nebbe konnte Oesau nicht erreichen, dass die Preisverteilung korrigiert wurde. Aber der Boßler durfte sich im Laden von Otto Haack in der Dorfstraße auf Kosten des Unterverbands einen zusätzlichen Preis aussuchen. Er wählte ein Paar Boßelschuhe. Oesau schließt seine Notiz: „Seine Tüchtigkeit im Boßeln hat der junge Nebbe aber danach oft genug bewiesen und Preise, Lob und öffentliche Anerkennung geerntet, wo er ehrliche und aufrichtige Preisrichter fand“. Die Familie Nebbe ist übrigens heute noch im Witzworter Boßelverein aktiv.

Hoffen wir, dass bei den diesjährigen Turnieren die Sieger in fairem Wettstreit ermittelt werden. Seit 1928, als Witzwort erstmalig Ausrichter des Unterverbandsfestes war, trafen sich die Eiderstedter Boßler mehrfach in unserem Dorf zu ihrem Wettkampf. Der Wunsch aus dem Veranstaltungsprogramm des Jahres 1990 bleibt aktuell: „Der Verein hofft und wünscht, dass dieses Unterverbandsfest sich zu einem großen Erfolg für das heimatliche Boßelspiel im allgemeinen gestaltet und im besonderen auch Antrieb und Fortschritt für ihn selbst bedeutet. Lüch op!“

Das Witzworter Boßelfoto ist noch ein bisschen älter als Oesaus Geschichte: Es entstand um 1930 und zeigt als Werfer Peter Bruhn, links steht Claus Peters.

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