Witzwort vertellt

68: Pflege vor Ort: die Witzworter Gemeindeschwestern

Die Gemeindeschwester, die in Witzwort in Person von „Schwester“ Hannes auch 15 Jahre lang männlich war, ist früher eine wichtige Einrichtung in den Dörfern gewesen.

Sie verarztete kleinere Wunden, betreute Bettlägerige und Alte – und war für viele, besonders einsame, Menschen ein wichtiger Gesprächspartner.

Über die Geschichte der Gemeindeschwestern in Witzwort wissen wir dieses: Seit den 1870er Jahren existierte auch hier der Vaterländische Frauenverein des Roten Kreuzes. Hier widmeten sich die Frauen aus den reicheren Familien der Wohltätigkeit, und zwar weniger dadurch, dass sie sich selbst um Bedürftige kümmerten, als vielmehr dadurch, dass sie die Tätigkeit von Gemeindeschwestern über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzierten. So war z.B. Grete Peters, die am Rosenmarkt 3 wohnte, als Krankenpflegerin unterwegs und kümmerte sich als Leichenfrau auch um die Herrichtung der Toten. Gerhard Meier erzählte uns, dass seine Urgroßmutter Dorothea Martens mit ihren Kindern Grete Peters bei Krankenbesuchen begleitet hat, auch wenn diese ansteckende Krankheiten hatten. Und Lisbeth Peters wusste zu berichten, dass um 1920 Agnes Peper aus Breklum in Witzwort Gemeindeschwester war. Die Schwester unterstützte die Familie, als Lisbeths Mutter Anna Peters, geb. Bahnsen, nach der Geburt eines Kindes lange in Kiel im Krankenhaus war. Lisbeth Peters erinnerte auch noch den Namen einer anderen Gemeindeschwester: Berta Peters.

Nach 1933 unterstanden die Gemeindeschwestern der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, einer Nazi-Organisation, die es in jeder Gemeinde gab. In den Kriegsjahren war Schwester Anni als Gemeindeschwester tätig. „Braune Schwester“ wurde sie nicht nur wegen ihrer Kleidung (Schürze und Haube) genannt. Mit den Witzworter Kindern übte sie einmal ein Theaterstück ein, das sie auch in Ording im Lazarett aufführten. Inge Claussen und Heinrich Alberts waren dabei: An der Kaffeetafel saßen immer abwechselnd ein Kind und ein Soldat. Einer zeigte die Kugel vor, die ihm durch die Hand geschossen wurde, und die er immer im Portemonnaie bei sich trug. Das Lazarett befand sich in dem 1911 gegründeten Kinderkurheim „Köhlbrand“, das 2012 geschlossen wurde. Bis 1942 gab es in Witzwort auch eine Hebamme, Elisabeth Hogrefe (siehe Witzwort vertellt Nr. 41).

Nach dem Krieg kümmerte sich Schwester Gertrud als Angestellte der Gemeinde um die Witzworter Kranken. Sie wohnte in der Lüttschool im ersten Stock und später in der Grootschool. Sie war eine wichtige Person im Dorf, so war es auch selbstverständlich, dass sie zur Konfirmationsfeier in die Familien kam. Ingrid Hansen erinnert sich, dass Schwester Gertrud sehr qualifiziert war und einmal eine Vergiftung bei ihr diagnostizierte. Die 1919 geborene Gertrud Wild, geb. Sachau, hatte ihren Mann im Krieg verloren. Sie zog dann in den 1960er Jahren nach Langen in Hessen und war dort als Werksschwester tätig. 2012 starb sie in St. Peter, wo sie als Rentnerin wohnte.

Nach ihr war Dora Petersen, die Mutter von Ulla Fest, Gemeindeschwester. Sie wohnte im sog. Armenhaus (Dorfstraße 31). Im Schneewinter 1978/79 tat Anni Claussen Dienst als Gemeindeschwester – nun als Angestellte der Diakonie. Die Familie wohnte in der Grootschool (linke Wohnung). Ihr Mann war beinamputiert, sie hatten drei Kinder. Schwester Anni musste ihren Beruf ca. 1982 aufgeben, da sie an Leukämie erkrankt war.

Dann übernahm Johannes Hansen („Schwester“ Hannes) diesen Job. Die Gemeindepflegestation umfasste damals Witzwort, Norderfriedrichskoog, Uelvesbüll und Koldenbüttel. Ein Mann als Kranken- und Altenpfleger – das war damals sehr ungewöhnlich. Auch heute noch sind ja die meisten Pflegekräfte Frauen. Der gelernte Schlachter hatte mit 37 Jahren eine Umschulung zum Krankenpfleger gemacht und anschließend im Husumer Krankenhaus gearbeitet. Als Gemeindepfleger arbeitete er bis 1997 – 15 Jahre lang. In seinem Haus im Kirchenweg 10 gab es ein Dienstzimmer mit separatem Eingang. Zuletzt war „Schwester“ Hannes von Garding aus tätig.

Seitdem gibt es in Witzwort keine Gemeindeschwester mehr. Die Aufgaben übernehmen heute verschiedene Pflegedienste. Die Gemeindeschwestern leisteten aber mehr: sie waren zugleich Pflegerinnen, Notfallambulanz und vertraute Ansprechpartner vor Ort.

Die Fotos zeigen Gertrud Wild (links), Dora Petersen 1948 im Kreis von Kolleginnen (zweite von rechts) und als ältere Frau (Portraitfoto rechts). | Archivgruppe Witzwort

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