Witzwort vertellt

70: Zum Arbeiten ins Ruhrgebiet

In den fünfziger Jahren fanden junge Leute auf dem Land in Schleswig-Holstein nur schwer Arbeit. Die Witzworter Klaus Thoms und Günter Schubert sind damals zum Arbeiten ins Ruhrgebiet gezogen.

Klaus Thoms machte zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Firma Hamburger Kaffeelager Thams & Garfs in Schleswig. Die 1908 gegründete Firma unterhielt in der Bundesrepublik 750 Geschäfte. Nach seiner Gesellenprüfung 1956 wurde er arbeitslos. Das Arbeitsamt in Schleswig konnte ihm keine Arbeit anbieten, aber eine Fahrkarte nach Hamburg. Dort standen die Sonderzüge ins Ruhrgebiet. So kam Klaus Thoms nach Bochum, wo sein älterer Bruder bereits arbeitete. Er fing bei der Firma Richter an, einem Stahlbauunternehmen in Bochum-Dahlhausen, das Kohlerutschen für die Zechen herstellte. Er wohnte in einem Zimmer mit einem Kollegen zusammen. „Rundum die Fabrik lagen jede Menge Kneipen“, erinnert sich Klaus Thoms, „so dass bei den meisten nicht viel Geld in der Lohntüte übrig blieb. Die Ehefrauen warteten deshalb am Werkstor, um ihr Haushaltsgeld sicher nach Hause zu bringen“. Obwohl er dort nicht der einzige Schleswig-Holsteiner war, gefiel es ihm nicht. Und nach einem Dreivierteljahr ging er zurück in die Heimat. Der folgende Job in Jübek brachte ihm Glück: Er lernte seine Elke kennen. 1963 zogen sie nach Witzwort, arbeiteten zunächst als Angestellte im Kaufmannsladen und übernahmen ihn dann 1965.

Günther Schubert war 1950 in Hude in der Landwirtschaft beschäftigt. Dort lernte er seine ebenfalls bei einem Landwirt beschäftigte spätere Frau Elfriede Voß und ihren Bruder Heinz kennen. Zusammen mit diesem ließ er sich 1951 für den Ruhrbergbau anwerben. Nach mehreren Gesundheitschecks ging es im Sammeltransport nach Gelsenkirchen, wo die meist jungen Leute auf verschiedene Zechen verteilt wurden. Günther Schubert und Heinz Voß landeten auf der Zeche Unser Fritz in Gelsenkirchen-Wanne. Das Wohnheim – wie alle Bergmannswohnheime „Bullenkloster“ genannt – bestand aus massiven Baracken mit 4-Bett-Zimmern. Als wenige Monate später bei einem Unfall einem Bergmann beide Beine abgeklemmt wurden, war für Heinz Voß „Schicht im Schacht“; er kündigte. Günther Schubert wechselte nach Essen-Überruhr zur Zeche Heinrich, wo er anfangs als Lehrhauer, dann als Gedingeschlepper und schließlich als Hauer arbeitete. Und das meistens nachts, wo er mit einigen „Kumpels“ das Material für die nächsten Schichten – also Holzstempel, Schalhölzer usw. – an die jeweiligen Arbeitsplätze beförderte. Versuche des Reviersteigers, ihn „an die Kohle“ zu bringen, schlugen fehl. Auf den höllischen Lärm der Presslufthämmer und den Kohlenstaub konnte er verzichten, zumal sein Verdienst denen „vor Kohle“ entsprach. Einziger Nachteil: die Nachtschicht! Und schwarz wurde man auch so.

Nach seiner Verlobung mit Elfriede Voß folgte sie ihm ins Ruhrgebiet und arbeitete in einem Geschäftshaushalt in Essen-Steele. Im Juni 1953 wurde geheiratet. Auf eine Wohnung in oder um Essen sollten sie fünf bis zehn Jahre warten. So ging Elfriede Schubert zurück nach Reimersbude und zog Ende 1953 in das kleine Häuschen auf dem Hof von Jan Peters ein. Für den Mietwert von 25,- DM musste sie morgens und abends melken, Kannen waschen, Kälber füttern und samstags die Wohnung des Bauern putzen. Drei bis vier Stunden kamen da täglich zusammen. Über diese „ungleiche“ Abmachung war Günther Schubert entsetzt. Er blieb wegen des guten Verdienstes noch bis August 1954 auf Zeche Heinrich; und erhielt nach seiner Rückkehr noch die – verheirateten Bergleuten zustehenden – 100 Zentner Steinkohlen per Güterwagen nach Harblek geliefert. Von dort dann mit dem Pferdegespann nach Reimersbude geholt. Im September 1956 zogen Schuberts ins neue Haus (Kirchenweg 29). Nach verschiedenen Jobs fing Günther Schubert dann fest beim Marschenbauamt an, wo er bis zur Rente im Jahr 1994 blieb.

Das Foto zeigt Günter Schubert als „schwarzen Mann“ auf der Zeche Heinrich.

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